Auf dem Weg zum Smart Hospital
Das Gesundheitssystem befindet sich inmitten eines epochalen Wandels. Treiber dieses Wandels ist die Digitalisierung – und mit ihr das Konzept des „Smart Hospital“. Doch was macht ein Krankenhaus eigentlich „smart“?
Ein Smart Hospital ist mehr als nur ein digitalisiertes Krankenhaus. Es handelt sich um ein hochvernetztes, technologiegestütztes Ökosystem, in dem medizinische, pflegerische und administrative Prozesse effizient, sicher und patientenzentriert gestaltet sind. Sensoren, Künstliche Intelligenz (KI), Robotik, digitale Plattformen und cloudbasierte Systeme sind die Bausteine dieser Transformation.
Die Basis des Smart Hospital
Drei Kernelemente kennzeichnen ein Smart Hospital: Digitale Infrastruktur, Automatisierung & KI sowie Patientenzentrierung & Vernetzung.
Die digitale Infrastruktur ist das Fundament eines jeden Smart Hospitals. Ohne sie bleiben digitale Einzelanwendungen ineffektiv oder gar kontraproduktiv. Eine moderne digitale Infrastruktur umfasst mehrere zentrale Komponenten: die elektronische Patientenakte (EPA) als zentrales Informationssystem, interoperable IT-Strukturen, die einen reibungslosen Datenaustausch zwischen verschiedenen Fachabteilungen und Sektoren ermöglichen, sichere Cloudlösungen zur flexiblen und skalierbaren Speicherung großer Datenmengen sowie eine leistungsfähige und stabile Netzwerkarchitektur, die die technische Basis für alle Anwendungen bildet. Ziel dieser Infrastruktur ist es, medizinische, pflegerische und administrative Informationen in Echtzeit verfügbar zu machen – für Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte, Therapeutinnen und Therapeuten sowie im Rahmen der partizipativen Medizin auch für die Patientinnen und Patienten selbst. Durch strukturierte und jederzeit abrufbare Daten werden Entscheidungsprozesse verbessert, Doppeluntersuchungen vermieden und die Versorgung insgesamt effizienter und sicherer gestaltet. Zudem wird das physische Krankenhausumfeld zunehmend smart: Patienten können per Touchpanel oder Sprachsteuerung Licht, Temperatur und Medieninhalte im Zimmer regeln, über Feedbacksysteme Rückmeldung zum Aufenthalt geben oder in Echtzeit über ihren Behandlungsstatus informiert werden. Diese Form der Interaktivität fördert nicht nur das Wohlbefinden, sondern stärkt auch die Eigenverantwortung und Autonomie der Patienten.
Ein wesentliches Merkmal smarter Krankenhäuser ist der gezielte Einsatz von Automatisierung und KI zur Optimierung klinischer und organisatorischer Abläufe. Dabei geht es nicht um die Ersetzung menschlicher Expertise, sondern um die Entlastung von Routineaufgaben und die Unterstützung komplexer Entscheidungsprozesse. Beispielsweise können intelligente Betten Systeme zur Vitalüberwachung integrieren oder den Pflegebedarf melden, während robotergestützte Logistiklösungen selbstständig Medikamente, Laborproben oder sterile Materialien zwischen Apotheken, Laboren und Stationen transportieren. Noch weitreichender ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz, etwa in der Radiologie, Pathologie oder Onkologie: KI-gestützte Systeme können Bilder auswerten, Anomalien markieren oder Therapieoptionen vorschlagen – schneller, konsistenter und oft mit einer geringeren Fehlerquote als der Mensch allein. Gleichzeitig ermöglicht Machine Learning die prädiktive Analyse von Krankheitsverläufen oder Frühwarnungen bei klinischer Verschlechterung.
Das dritte Schlüsselelement eines Smart Hospitals ist die konsequente Ausrichtung aller Prozesse und Technologien auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten. Digitale Transformation ist dann erfolgreich, wenn sie das subjektive Erleben verbessert, Transparenz schafft und die aktive Beteiligung an der eigenen Gesundheitsversorgung erleichtert. Dazu gehören beispielsweise Patientenportale und Apps, über die Befunde eingesehen, Termine gebucht oder Therapien verfolgt werden können. Auch die Telemedizin spielt eine zentrale Rolle, sei es in Form von Videosprechstunden, telemedizinisch unterstützter Nachsorge oder virtuellen Konsilen. Durch digitale Kommunikationskanäle wird die Versorgung über institutionelle Grenzen hinweg koordiniert und verlängert sich nahtlos in den ambulanten Bereich.
Ein Paradebeispiel ist das Universitätsklinikum Essen, das sich seit 2015 als „Smart Hospital“ neu erfindet. Hier arbeiten Medizin, IT und Betriebswirtschaft Hand in Hand an einer digitalen Vision, bei der Technologien nie Selbstzweck sind, sondern konkrete Probleme im Klinikalltag lösen.
Digitalisierung vs. Menschlichkeit – ein Widerspruch?
Ein häufig genannter Vorbehalt gegenüber der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist die Sorge, dass Technik auf Kosten der persönlichen Zuwendung geht – etwa durch weniger direkte Kommunikation oder eine zunehmende Technisierung der Abläufe. Doch dieser vermeintliche Widerspruch zwischen Digitalisierung und Menschlichkeit lässt sich differenzierter betrachten. Tatsächlich bietet die Digitalisierung nicht nur Potenzial für effizientere Abläufe, sondern kann auch dazu beitragen, die menschliche Seite der Versorgung zu stärken, indem sie das medizinische und pflegerische Personal von zeitaufwändigen Routineaufgaben entlastet. Viele Tätigkeiten, die heute einen erheblichen Teil der Arbeitszeit beanspruchen, sind administrativer oder logistischer Natur: etwa das Erfassen und Übertragen von Vitaldaten, das Ausfüllen von Formularen, das Koordinieren von Untersuchungen oder das Beschaffen von Materialien. Diese Aufgaben lassen sich durch digitale Werkzeuge automatisieren oder deutlich vereinfachen.
Wie smarte Infrastrukturen die Abläufe auf Station verbessern können
Auf Station wird gepflegt, diagnostiziert, therapiert – und oft auch improvisiert. Gerade an diesem zentralen Ort zeigt sich, wie gut oder schlecht Abläufe funktionieren. Und genau hier offenbaren sich die Schwächen klassischer Krankenhausstrukturen besonders deutlich: Medienbrüche, lange Kommunikationswege, händisch geführte Listen, unklare Verantwortlichkeiten und nicht zuletzt der Zeitdruck erschweren die tägliche Arbeit und können die Versorgungsqualität beeinträchtigen.
Smarte Infrastrukturen versprechen Abhilfe. Sie schaffen eine durchgängig digitale, adaptive und vernetzte Umgebung, in der Informationen verlustfrei fließen, Prozesse logisch aufeinander abgestimmt sind und Mitarbeitende technisch so unterstützt werden, dass sie sich auf das Wesentliche konzentrieren können: die medizinische und pflegerische Versorgung der Patientinnen und Patienten.
Ein zentrales Element dabei ist die digitale Patientenakte in Kombination mit mobilem Arbeiten. Statt mit papierbasierten Visitenlisten, Klemmbrettern oder langwierigen Telefonabstimmungen zu arbeiten, greifen Pflegekräfte und Ärztinnen direkt über Tablets oder Smartphones auf alle relevanten Patientendaten zu, in Echtzeit, strukturiert und standortunabhängig. Alle Beteiligten haben so jederzeit den gleichen Informationsstand.
Auch Sensorik und das Internet of Things (IoT) halten Einzug auf der Station. Intelligente Betten erfassen automatisch Vitalparameter wie Puls oder Atmung, Bewegungsmuster oder Liegezeiten. Smarte Matratzen erkennen frühzeitig das Risiko für Dekubitus, bevor erste Hautveränderungen sichtbar werden. Türsensoren oder Desinfektionsspender registrieren Händehygienevorgänge und helfen dabei, Hygienestandards konsequent umzusetzen. Die dabei generierten Daten fließen direkt in übergeordnete Pflegecockpits oder Frühwarnsysteme ein, die Veränderungen oder Risiken automatisch anzeigen.
Ein weiterer Baustein smarter Stationen ist die digitale Navigation innerhalb des Krankenhauses. In großen Klinikgebäuden ist es oft zeitraubend, dringend benötigte Geräte, Infusionspumpen oder Transportmittel zu finden. Mit Indoor-Ortungssystemen lassen sich diese Ressourcen in Echtzeit lokalisieren. Das spart Wege, vermeidet unnötige Beschaffungen und sorgt für eine effizientere Auslastung vorhandener Geräte.
Auch logistische Prozesse können durch smarte Technologien erheblich verbessert werden. Robotiksysteme übernehmen wiederkehrende Aufgaben wie den Transport von Medikamenten, Mahlzeiten, Laborproben oder Wäsche. Serviceroboter bewegen sich dabei selbstständig durch die Klinik, navigieren durch Aufzüge und melden selbstständig, wenn sie Unterstützung benötigen. In Zeiten eines eklatanten Fachkräftemangels bedeutet das eine spürbare Entlastung für das Personal, das seine Zeit wieder vermehrt der direkten Patientenversorgung widmen kann.
Ein besonders sensibles und fehleranfälliges Feld ist die Medikation. Auch hier bieten digitale Systeme entscheidende Vorteile. Elektronische Verordnungssysteme reduzieren Medienbrüche, ermöglichen automatische Wechselwirkungsprüfungen und vermeiden typische Fehler bei Dosierung oder Wirkstoffverwechslung. Digitale Verfügbarkeitsanzeigen sorgen dafür, dass Ärztinnen und Ärzte bei der Verordnung direkt sehen, ob ein bestimmtes Präparat verfügbar ist – das vermeidet Rückfragen und beschleunigt den gesamten Prozess.
Insgesamt zeigt sich: Smarte Infrastrukturen auf Station können weit mehr leisten als nur „Digitalisierung um der Digitalisierung willen“. Sie schaffen die Voraussetzungen für eine neue Versorgungslogik, in der Technik nicht dominiert, sondern unterstützt – und damit die Arbeitsbedingungen für das Personal verbessert und die Qualität der Versorgung spürbar erhöht. Die Umsetzung erfordert jedoch klare Strategien, Schulungen, eine sorgfältige Integration in bestehende Abläufe und nicht zuletzt eine Kultur, die Veränderung als Chance begreift. Nur dann kann das volle Potenzial dieser Technologien zur Entfaltung kommen.
Krankenhaus der Zukunft – wir kommen
Die Zukunft des Krankenhauses ist digital, vernetzt und patientenzentriert – ein Smart Hospital, das technische Innovationen und menschliche Fürsorge miteinander verbindet. Mit einer durchgängigen digitalen Infrastruktur, automatisierten Prozessen und intelligenten Anwendungen auf der Station eröffnen sich große Chancen: eine bessere Versorgungsqualität, spürbare Entlastung für das Personal, effizientere Nutzung von Ressourcen und ein deutlich verbessertes Patientenerlebnis. Gleichzeitig ermöglicht die systematische Datennutzung innovative Forschung und nachhaltige Entwicklung im Gesundheitswesen.
Auf diese Zukunft können wir uns freuen – denn sie macht das Krankenhaus nicht nur moderner, sondern vor allem menschlicher und resilienter. Und Zukunft, wir kommen! Bereits heute zeigt das INSPIRE Living Lab, wie die Erprobung neuer Technologien in realen klinischen Umgebungen, die Einbindung von Fachkräften und Patienten sowie die Entwicklung flexibler, digitaler Lösungen Technologien bereit für das Smart Hospital machen kann.